Der A800 als Flaggschiffkopfhörer aus dem Hause Onkyo hat bei mir einen Zwischenstopp eingelegt. Sehr interessant macht ihn die Verwendung von Balanced Armature Treibern in Verbindung mit einem 50mm dynamischen Trieber. InEar Technik hochskaliert auf OverEar Kopfhörer… Funktioniert das?
Onkyo A800 auf den Punkt gebracht!
Der A800 ist ein gewaltiger OverEar Kopfhörer, was nicht zuletzt an seinem 7cm breiten Kopfband liegt. Er ist in Schwarz/Gold gehalten und die breiten, flachen Kabelzuleitungen bedienen sich des Erscheinungsbilds, das bereits aus dem Hause Stax bekannt ist. Beim Onkyo finde ich das ehrlich gesagt etwas deplatziert. Glücklicherweise kann man mit 3,5mm Stereo-Klinke-Stecker sich sein eigenes Kabel erstellen, wobei die Pins auch wie bei Stereo belegt sind, also Standard Mono-Kabel mit Signal an der Spitze funktionieren auf der rechten Seite nur, wenn sie nicht ganz versenkt werden.
Aufgrund der ALU-Gehäuse der Treiber ist der Kopfhörer mit 457gr ohne Kabel nicht sehr schwer. Die Konstuktion sieht schwerer aus, als der Kopfhörer tatsächlich ist. Als ich ihn aus der Packung genommen hatte, war ich sogar etwas enttäuscht. Der Tragekomfort geht in Ordnung, ist aber nicht herausragend. Die Ohrpolster sind aus einem eher samtenen Stoff, wie es auch beim Philips Fidelio X2 der Fall ist. Schon wie damals ist das für mich als Bartträger nicht optimal, da Bewegungen in Verbindung mit dem Bart unangenehm sind und ab und an ziept es etwas. Bei Velours- oder Leder-Polstern passiert das nicht. Das Kopfband ist Dank der 7cm kaum spürbar und der Anpressdruck ist angenehm dosiert. Mit dem Onkyo kann man es sich bequem machen, zurücklehnen und genießen.
Angefangen mit einem Werbeversprechen auf der Onkyo-Seite, welches ich zitieren möchte:
„Die ultimative Hörerfahrung wird durch eine Kombination aus hybriden 3-Wege-Dual-Balanced-Armature-Treibern und dynamischen Treibern erzielt. Die Balanced-Armature-Treiber sorgen für klare Mitten mit außergewöhnlich hoher Frequenzgenauigkeit und -erweiterung. Jeder 6 mm dynamische Treiber liefert tiefe und präzise Bässe ohne Kompromisse beim Sound. Die Reinheit des Tons wird durch die Verwendung von verdrillten, sauerstofffreien (OFC) Kabeln mit niedriger Impedanz weiter optimiert.“
Quelle: www.onkyo.de
Diese Passage ist leider 1:1 kopiert vom E900M, was dann auch wieder Sinn macht, denn der InEar wird definitiv nur einen 6mm dynamischen Treiber im Gehäuse haben. Der Onkyo A800 sollte da schon eher bei etwa 50mm liegen. In den Details seiner technischen Daten ist das auch so vermerkt und tatsächlich ist dort weiterhin von Balanced Armature die Rede. Bei Sichtung der Explosionsdarstellung des Treibers, siehe unten, kann ich das sogar nachvollziehen. Mit 4-40.000 Hz deckt der A800 die gängige „HighRes“ Bandbreite ab. Alles über 20kHz ist sicherlich messtechnisch sehr toll, doch hörbar ist das nicht mehr für uns Menschen. Mit 32 Ohm und grandiosen 100dB/mW ist der Kopfhörer auch ohne extra Verstärker z.B. am Smartphone so laut betreibbar, dass die maximale Lautstärke auf dauer ungesund ist.
Quelle: www.onkyo.de
Über den A800 gibt es nicht viele Tests und so war ich gespannt, wie er für mich klingt. Tatsächlich muss ich sagen, „WOW, was für ein gewaltiger Klang!“.
Der Kopfhörer hat mit Neutralität nichts im Sinn. Im Bassbereich langt er gleich zwei Mal kräftig zu, um 60Hz abfallend und dann um 250Hz als zweite Betonung. Bei fast alle Lieder klingt es stets bassbetont, auch wenn diese nicht unbedingt über Bass unter 80Hz verfügen. Da denke ich z.B. an akustische Musik. Anfangs ist das sehr interessant, doch langes Hören wird dann auch anstrengend. Wenn Im Jazz alles immer nach „hergehört, hier geht es ab“ klingt, dann ist das nicht mein Ding. Bei Pop und Mainstream verleiht der betonte Bass den Liedern etwas mehr Drive und das hört sich auch gut an, doch selbst leise gehört ist es irgendwann einfach etwas zu viel. Im weiteren Verlauf ist der Frequenzgang dann nahezu linear und leicht fallend, was dem A800 für meinen Geschmack tolle Mitten und Höhen verleiht. Der Mittenbereich ist für mich das Highlight dieses Kopfhörers. Gesang kommt auhtentisch zur Geltung ohne überbetont zu sein, gleiches gilt für die meisten Instrumente. Was am folgenden Frequenzverlauf jedoch nicht zu sehen ist, ist die der Technik geschuldeten Klangfarbe. Sprich die Eigenarten der Balanced Armatures sind im Messschrieb nicht erkennbar.
Nun ist es so, dass gut abgestimmte Balanced Armatures den Klang im Mitten- und Hochton förmlich zerlegen und Instrumente gut separiert werden. Mitunter klingt es dann auch etwas analythisch und kalt, muss aber nicht. Das kommt natürlich auf die Detailabstimmung eines Hörers an. Diese grundsätzliche Signatur, die ich bei InEars sehr schätze, findet sich auch beim A800 wieder. Wobei ich sagen muss, dass der Hochton nicht ganz die Qualität im Vergleich zu einem Brainwavz B400 erreicht. Das mag daran liegen, dass die BA nicht im Gehörgang sitzen, sondern im Treiber ein paar Zentimeter vor dem Ohr integriert sind. Der A800 separiert Intrumente zwar auch sehr schon, doch bisweilen etwas angestrengt. Ähnlich den Neodym-Hochtönern, die im Auto gern verbaut werden, um die Höhen aus dem Fußraum auf Ohrhöhe zu bekommen. Das geht einher mit einem Eindruck einer badewannenförmigen Abstimmung. Wie schon geschrieben, der gemessene Frequenzgang würde das zunächst nicht vermuten lassen, dennoch ist der gehörte Eindruck schon eher in Richtung Bass- und Höhenbetonung.
Bis auf den leicht zu gut gemeinten Bassbereich wäre das eigentlich genau mein Hörer, auch wenn er an Perfektion vermissen lässt, dafür ist er aber preislich selbst für die „normalen“ 399€ empfehelnswert. Im Vergleich mit dem Philips Fidelio X2 macht der Onkyo A800 mehr richtig. Der X2 war im Hochton immer etwas harsch und zischig, das ist hier nicht der Fall und dennoch separiert der Onkyo sehr, sehr gut. Im Bass schlägt der den X2 ein weiteres Mal, was jedoch nicht unbedingt gut ankommen muss.
Im Prinzip lassen sich alle Genres mit dem Onkyo A800 hören. Wenn jedoch bereits Musik „fett“ gemastert ist, dann knallt es mit ihm schon sehr ordentlich. Selbst bei elektronischer Musik von Mitch Murder ist es manchmal etwas zu viel. Was bei Eurythmics und Songs wie „Sweet Dreams“ und sonstigen Aufnahmen aus den 80ern gut tut, das klingt im Bereich Klassik Rock oder Heavy Metal unnatürlich aufgedickt. Und die Klassiker von Donald Fagen bekommen eine befremdliche Lebendigkeit eingehaucht. Das klingt dann alles durchweg nach „Remasterd 2018“.
Wer einen Kopfhörer sucht, der leicht angetrieben werden kann und dabei schon eine angehobenen Bass- und Höhenbereich mitbringt und wer eben keine „langweilig authentische Abstimmung“ möchte sondern eher „bombastisch“ hören möchte, der liegt beim A800 genau richtig!
Anmerkung:
Den Onkyo A800 war auch schon bei iBood.de Ende Februar für 199,95€, was ein Spitzenpreis ist. Insofern nicht alle Bestände verkauft wurden, empfehle ich unbedingt dort immer mal wieder vorbei zu schauen.
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